Freitag, 13. November 2009

2012 - Die Apokalypse in High Definition

Gestern war es nun soweit und der lang ersehnte, heiß diskutierte neue Film von Roland Emmerich traf endlich auf der Leinwand ein.
"2012" setzt dabei die Reihe der Weltuntergangsfilme Emmerichs fort. In die Fußstapfen von Kassenschlagern wie "Independance Day", "Godzilla" oder "The Day After Tomorrow" zu treten ist sicher kein einfaches Unterfangen. Lest weiter um rauszufinden, ob es dem Streifen geglückt ist.


Die Hintergrundgeschichte von "2012" stützt sich recht lose auf den Maya-Mythos, dass die menschliche Zivilisation am 21.12.2012 enden wird. Im Film wird dieses Ende durch besonders starke Sonneneruptionen eingeleitet, welche besonders viele oder energiereiche Neutrinos durch's All feuern. Jene welche die Erde erreichen, durchdringen diese nicht wie sonst ereignislos, sondern heizen den Erdkern auf. Normalerweise ist unsere Kugel ja im Inneren flüssig und außen fest. Durch die Aufheizung schmelzen die äußeren Schichten immer mehr auf, bis die Kontinentalplatten wieder frei auf dem flüssigen Inneren umherschwimmen können. Soweit zur Theorie.

Der Rest ist typisch Emmerichsches Katastrophenkino mit einer kräftigen Portion Pathos. Die Menschheit eint sich (genaugenommen eigentlich nur die G8), nachdem die Katastrophe im Jahr 2009 schon absehbar wird, und bereitet sich auf den Exodus vor. Der junge idealistische Geologe, welcher die ganze Geschichte entdeckt, klammert sich bis zuletzt an den Gedanken, jeder bekäme die Chance, die Katastrophe zu überleben. Im Gegensatz dazu steht beispielhaft der Raffzahn, welcher für sich und seine beiden fetten unsympathischen Söhne zu horrenden Preisen Plätze im Exodusprogramm kauft. Selbstverfreilich bekommt der im Laufe des Films sein Fett weg. Ebenfalls durch den ganzen Film zieht sich die Geschichte des erfolglosen Schriftstellers, welcher schon vor Jahr und Tag Familie und Würde an einen Schönheitschirurgen abtreten musste. Glücklicherweise kommt er dank eines durchgeknallten Radiomoderators und einigen Verwirrungen im Yellowstonepark rechtzeitig zu der Einsicht, dass der durchgeknallte Radiomoderator doch nicht so durchgeknallt - aber trotzdem noch ein Radiomoderator - ist. Es beginnt ein recht spektakuläres "ApoKalypse for Dummies: Man kann nur weglaufen, wenn man noch Boden unter den Füßen hat" Spiel.

Ich möchte die Handlung nicht noch weiter vorwegnehmen, daher eher einige Beobachtungen, die nicht handlungsrelevant sind. Zuerst und das ist mir das Wichtigste zu sagen: Das Ende der Welt sah noch nie so gut aus. Sei es das Ausbrechen des Yellowstone Vulkans, das Auseinanderreißen der pazifischen und der nordamerikanische Platte durch diverse kalifornische Metropolen, das in eine Feuerhölle verwandelte Hawaii, hunderte Meter hohe Flutwellen, die durch asiatische Metropolen fegen und vieles mehr. Es ist imposant zu sehen, was die Tricktechnik in den 13 Jahren seit "Independance Day" dazugewonnen hat. Natürlich wird der geschulte Beobachter erkennen, dass das im Meer versinkende Los Angeles computeranimiert wurde, aber mal ehrlich: das reale Versenken einer 1:1 Kopie hätte den Budgetrahmen sicher gesprengt. Die Bilder sind eindrucksvoll und die damit entstehenden Kameraeinstellungen, welche vom Publikum mit weiten Augen und offenem Mund empfangen werden, platzieren einen Regisseur wie Emmerich einige Riegen höher als einen Michael Bay.


Sehen wir vom film- und tricktechnischen Aspekt ab, landen wir ziemlich schnell bei Schauspielleistung. Die ist durchgehend grundsolide und das ist in meinen Augen eine von Emmerichs Stärken: er rotiert seine Schauspielriege für jeden Film und wählt instinktiv passende Darsteller. Ich denke es ist für einen Regisseur ein Luxus zu wissen, dass die Filme sich selbst verkaufen und er keine großen bzw. männeranziehende Namen braucht, sondern seine Rollen frei besetzen kann. Natürlich sind Emmerich Filme aber keine Darstellerfilme. Spielraum zum Auftrumpfen wie bei Tarantino, Del Toro oder Rodriguez gibt es nur begrenzt.
Das bekannteste Gesicht ist John Cusack, welcher bisher eher selten in Actionrollen glänzte, seine Sache aber gut macht. Die weiblichen Rollen werden von der ewigen Nebendarstellerin Amanda Peet und Thandie Newton ("Streben nach Glück", "Mission Impossible 2") besetzt und laufen beide nicht so richtig warm. Ich denke aber, dass das ebenfalls typisch für Emmerich ist. Frauen sind schmückendes Beiwerk. Die Blumen am Fuß des ausbrechenden Vulkans. Der teurer Marmorbrunnen im nächtlichen Park, welcher von Junkies und Triebtätern durchstreift wrid. Für sie lohnt es sich, die Welt zu retten, solange sie dabei nur zuschauen und nicht etwa auf die Idee kommen, helfen zu wollen. Ich jedenfalls kann mich an keine weibliche Heldin eines Emmerichfilms erinnern.
Oben erwähnter Radiofritze wird von Woody Harrelson gespielt, dem Mann, der in den letzten zehn Jahren all die Rollen bekam, die in den 90ern Steve Buscemi gespielt hätte. Seine in meinen Augen erstklassige Darstellung des fanatischen Weltuntergangsjüngers hat die Vorfreude auf "Zombieland" Ende des Jahres nochmal gesteigert.
Doch wo Licht ist, ist auch Schatten und so wird der Antipath des Films überzeugend von Oliver Platt gemimt. Die Rolle des Staatssekretärs, der schon lange aufgehört hat, Menschen als etwas anderes als Zahlen in einer Statistik zu sehen, steht ihm gut und man kauft sie ihm in jeder Szene ab.


Logische Fehler bietet der Film wenige, wenn man gewillt ist, im Sinne des Unterhaltungsaspektes ein Auge zuzudrücken. Dafür gab es einige Irrwitze, welche einem zum Schmunzeln bringen. So sind die im Film gezeigten Staatschefs ein recht akurates Abbild ihrer realen Abbilder anno 2009. Deutschland wird von einer Frau regiert, der französische Präsident sieht eher wie ein Lebemann denn wie ein sorgengebeutelter Staatschef aus und der amerikanische Präsident ist ein aufrichtiger Schwarzer, welcher der Apokalypse lieber inmitten seiner Untergebenen im totgeweihten Washington D.C. entgegenblickt, als seine Haut zu retten. Die Köpfe der anderen G8 Staaten sind natürlich nicht so mutig, ausgenommen der italienische Staatschef. Dieser charismatisch und gut aussehende Zeitgenosse harrt in religiöser Vertiefung im Kreis seiner Familie und umgeben von tausenden gläubigen Christen auf dem Petersplatz der Dinge, die da kommen, um dann von der Kuppel des Petersdoms überwalzt zu werden. Bravo, signore presidente! Wieviel wohl der Mediengigant Berlusconi mit dieser Darstellung zu tun hatte?
Von den 3 Archen, welche im Endeffekt zu Wasser gelassen werden, teilen sich Russland, Japan und China eine, Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien eine weitere und die USA bekommen eine eigene. Nunja, ich bin mir sicher die Auswahlkriterien für Teilnehmer des Exodusprogrammes waren hart.
Und seit gestern weiß ich nun auch, dass man mit einem halbend Dutzend Flugstunden im Sportflugzeug eine Antonov mit defekten Triebwerken zwischen einstürzenden Wolkenkratzern hindurchfliegen kann.

Zusammenfassend kann man nicht viel Schlechtes über den Film sagen. Aber irgendwie fehlt eben auch das Außergewöhnliche. Gerade da "2012" nur 5 Jahre nach "The Day After Tomorrow" kommt, der auch schon in die gleiche "Das Ende naht" Kerbe schlug. Mir würde spontan nichts einfallen, was den Film hätte besser machen können. Die Effekte waren gut, die Schauspieler gut besetzt und der Pathos wurde in erträglichen Portionen serviert. Die Geschichte war zwar grob durchschaubar, aber im apokalyptischen Unterhaltungskino wäre eine vielschichtige Geschichte fehl am Platz. Das Spannungsmoment kurz vor dem Ende, welches das Happy End noch einmal in Gefahr bringt, gehört genauso zum Emmerichschen Film wie das Zusammenführen aller Handlungsstränge kurz vor jenem Moment und das Überwinden der menschlichen Selbstsüchtigkeit im Angesicht des Exitus. Wenn man "Independance Day", "The Day After Tomorrow" und "2012" übereinanderlegen würde, könnt man wahrscheinlich sogar seine Uhr danach stellen.


Und so schafft es "2012" zwar zu unterhalten, aber nicht zu begeistern. Ich würde mich über einen Genrewechsel freuen, Herr Emmerich.

Und für alle, die das Ganze gern in Zahlen wollen: 7 von 10 Punkten.